Interkulturalität in der Werbung Eine vergleichende Untersuchung des Computer-Software-Marktführers "M I C R O S O F T" in der Bundesrepublik und den USA von Helmuth Sagawe Im Laufe der letzten fünfzehn Jahre ist der Personal Computer von einem von Mystik umgebenen und nur für Spezialisten zugänglichen Gerät zu einem anthrophomorphisierten Werkzeug (vgl. Sagawe 1990), ja sogar zum "Denkzeug" (vgl. Haefner 1987) geworden, ohne das kein Unternehmen und bald auch kein Haushalt mehr auskommen kann. Die technische Innovation mit "intelligenten" Maschinen überrannte nicht nur den Okzident, auch andere Kulturkreise, wie der Orient und Asien, wurden von der Computerisierungswelle erfaßt. Zum ersten mal in der Geschichte der Technikentwicklung ist nun in vielen Kulturen ein nie da gewesener Trend zur Metaphorisierung und Anthropomorphisierung zu beobachten. Anfangs verstärkt in Fachtexten, später - mit abnehmender Tendenz - in der Werbung, zuerst vorsichtig gebraucht, bald mit allen Facetten des menschlichen Lebens dargestellt, sollte der "Partner Computer" dem Menschen vertraut gemacht werden. (Vgl. Sagawe 1993.) Neben wissenschaftlichen Arbeiten über Metaphorik in der Kommunikation mit und über den Computer im englischen, französischen, spanischen und russischen Sprachraum (vgl. Ackermann 1991, Arndgen 1991, Behret 1991, Luchterhand 1992, Seischab 1991) wurde nun am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität Heidelberg eine Untersuchung durchgeführt, die den Facettenreichtum der Computerwerbung interkulturell kontrastiv zu untersuchen hatte (Spaan 1993). Um aber nicht infolge der Interdependenz des Themas unüberschaubaren Problemen ausgesetzt zu sein, soll hier vorerst nur vergleichend auf kulturelle Unterschiede zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland eingegangen, und auch hier methodisch eingegrenzt, nur ein Ausschnitt der Computerwerbung, ein Softwareprodukt einer der größten Firmen in den USA, Microsoft, untersucht werden, das in beiden Kulturkreisen ähnliche Verwendung findet. Schon hier, im Vergleich zwischen der Bundesrepublik und den USA, mit ähnlichen kulturellen Fundierungen, auf die Amerika und Deutschland aufbauen können, sind gravierende Unterschiede in Werbestrategien und Werbeansprüchen feststellbar. Untersuchungen über das Phänomen Werbung Untersuchungen über das Phänomen Werbung existieren in der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika vorwiegend im Konsumgüterbereich, wobei Werbung für langlebige Gebrauchsgüter kaum Beachtung findet - eine Ausnahme: die Autowerbung. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass im Bereich der Gebrauchs- und Investitionsgüter vermutlich weniger Text- und Bildmaterial "werbewirksam" eingesetzt werden kann, als das bei Konsumgütern der Fall ist. Der Phantasie des Gestalters kann hier mehr Spielraum eingeräumt werden, als das bei einer relativ "trockenen" Technik-Werbung für Ingenieure mit weniger transmedialem Vorstellungsvermögen und mehr Anspruch auf Faktenwissen möglich ist, als bei einem Publikum, das psychologisch stimulierende und manipulierende Präsentationen im häuslichen Kontext erfahren kann. Untersuchungen zum Thema Werbung (vgl. Kirsch-Postma 1978) bleiben auch weitgehend auf die jeweilige Landessprache bzw. den jeweiligen Kulturkreis beschränkt, so dass im Bereich der vergleichenden und interdisziplinären Werbeuntersuchungen ein großes Defizit verzeichnet werden kann. Folgende Fragen könnten bei der hier vorgelegten Untersuchung für den Translator, gesehen als Kultur- und Sprachmittler, einen pragmatischen Charakter gewinnen: - Wie wird Hardware oder Software in den USA und in den einzelnen Ländern Europas verkauft? - Wie muss das Produkt dargestellt werden, um Deutsche, Franzosen oder Skandinavier anzusprechen? - Wie hoch ist der Bekanntheitsgrad einer amerikanischen Firma in dem entsprechenden Land? - Kennt man z. B. in Frankreich schon die Technik der neural networks? - Inwieweit ist es notwending und sinnvoll, den Benutzer über solche gedanklichen Experimente und deren Umsetzung aufzuklären? Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, anhand von Fallbeispielen einen Vergleich von Werbekampagnen für MS-WORD in der amerikanischen und deutschen Wirtschafts- und Fachpresse zu erstellen. Es soll untersucht werden, wie für ein und dasselbe Produkt auf dem amerikanischen und dem deutschen Markt geworben wird, und wie dabei kulturelle Unterschiede und Parallelen bemerkbar werden. Da unter dem Begriff "Werbung" nicht immer nur Werbung verstanden wird, ist zuerst der Begriff als solcher etymologisch zu untersuchen: Im Deutschen teilt der Terminus Werbung sein Bedeutungsfeld mit den Begriffen Reklame, Propaganda und Public Relations. Es ist daher eine ziemlich inkonsistente Verwendung dieser Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch festzustellen. In zahlreichen Publikationen findet man diese Begriffe alternativ und wertfrei verwendet. Der Duden z. B. definiert Werbung allgemein als "Gesamtheit werbender Maßnahmen" und verzeichnet als Synonyme Reklame und Propaganda (Drosdowsky 1989, 1434). Fachleute unterscheiden hier aber sehr wohl. Der Terminus Reklame Der Terminus Reklame stammt aus dem Französischen, wo er 1625 zum ersten Mal belegt wurde, doch erst um 1834 beginnt sich der Begriff seiner modernen Bedeutung zu nähern: "Article élogieux présentant et recommandant qqch. ou qqn., inséré dans un journal pour remplacer ou compléter une annonce publicitaire." (Petit Robert 1990, 1625) Die deutsche Sprache übernimmt das Wort rasch, zunächst in französischer Schreibweise; um 1870 hatte sich die Bezeichnung "Reclame" im deutschen Sprachraum bereits endgültig eingebürgert.1 Der Begriff Werbung beginnt Ende der 20er Jahre neben Reklame zu erscheinen und hat ihn in neuester Zeit fast völlig verdrängt. Der Grund dafür mag sein, dass Reklame zunehmend als marktschreierisch und aufdringlich empfunden wurde, der "Werbende" weist sich dagegen als ein um die Gunst des Kunden Bemühter aus, der nicht durch Lautstärke, sondern durch Plausibilität seiner Argumente zum Kauf anregen will. Bemerkenswert ist, dass sowohl in Frankreich als auch in Italien der zunehmend als negativ empfundene Begriff "réclame" durch "publicité", bzw. "publicità" verdrängt wurde. Auch hier ist "réclame" selbst ungebräuchlich. In der Computerbranche fällt der Öffentlichkeitsarbeit eine besonders wichtige Rolle bei der Verkaufsförderung zu, ja man könnte behaupten, dass sie mit der Werbung rivalisiert. Auf dem hart umkämpften Computermarkt ist der Großteil der Öffentlichkeitsarbeit produktbezogen; nur ein kleiner Teil beschäftigt sich mit der Verbreitung eines positiven Unternehmensimages (Corporate Public Relations). PR-Fachleute, sei es im Unternehmen oder einer Agentur, sind um ein gutes Verhältnis zu Journalisten, Kolumnisten und Meinungsführern der Fach- und Wirtschaftspresse bemüht, besonders zu jenen, die über ihr Produkt schreiben. Der Journalist wird durch die PR-Fachleute laufend über Neuerscheinungen und neue Produkt- und Testversionen informiert, und er wird von Produktmanagern im Rahmen von Pressetouren aufgesucht. Diese Art aktiver, sehr produktbezogener Öffentlichkeitsarbeit ist in der Computerbranche notwendig, da fast der gesamte Inhalt von Computerfachzeitschriften aus dem Vergleich und der Rezension von Produkten besteht. Auf dem Markt konkurrierende Produkte werden darin bis auf das kleinste Detail miteinander verglichen, wie z. B. in der Serie Head to Head in Personal Computing, wo WORD mit WORD PERFECT verglichen wird. (Vgl. Personal Computing, Mai 1988:127) Deshalb können solche Beiträge, aber auch die Meinung eines angesehenen Kolumnisten wie z. B. Bill Machrone des "PC Magazine"/USA (Herausgegeben von Ziff Davis) sehr wohl den Absatz eines Produktes beeinflussen, obwohl dies noch weniger meßbar als bei der Werbung sein mag. Wie wichtig die Meinung dieser opinion leaders ist, beweist auch, dass sie in Werbeanzeigen auftreten. Propaganda Von Propaganda spricht man, wenn es bei der Werbung um die Verbreitung politischer, religiöser oder kultureller Inhalte geht. Der Duden definiert sie als "systematische Verbreitung weltanschaulicher oder ähnlicher Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewußtsein in bestimmter Weise zu beeinflussen" (Duden 1989, 1187). Propaganda bedient sich jedoch nicht nur der klassischen Werbemittel und Werbeträger, sondern wird auch mehr oder weniger indirekt durch Reden, Spiel- und Dokumentarfilme, Veranstaltungen und Bücher verbreitet. Besonders im Deutschen, aber auch im Englischen hat der Begriff heute eine negative Konnotation, die eine fragwürdige Intention des Senders vermuten läßt. Oft werden damit Begriffe wie "nationalsozialistische" oder, aktueller, "neonazistische Prodaganda", "Propagandafilm", "Propagandalüge" assoziiert. Die Beziehung zwischen Propaganda und Wirtschaftswerbung wird wohl in folgendem Ausdruck deutlich: Er macht doch nur Propaganda für sein Buch. Auch das englische advertising teilt sein Bedeutungsfeld mit verwandten Begriffen, wie promotion, publicity, public relations, wobei propaganda weniger im Zusammenhang mit Wirtschaftswerbung benutzt wird. Der Begriff advertising stammt von dem mittelenglischen a(d)vertise ab, der wiederum auf das altfranzösische advertir zurückgeht (vgl. William 1969, 19). Es ist wohl auf die insuläre Lage Englands, als auch auf seine Jahrhunderte alte Rivalität mit Frankreich zurückzuführen, dass der Begriff reclame sich nie im englischsprachigen Raum eingebürgert hat. Das Collins Cobuilt English Dictionary definiert Werbung schlicht und einfach als "activity of telling people about products and making them want to buy them" (Collins Cobuild English Dictionary 1991, 22). Als Synonyme werden promotion und publicity angeführt. Dabei wird advertising automatisch mit Produktwerbung gleichgesetzt. Dies ist aber nicht zutreffend und auch im Englischen wird eine inkonsistente Verwendung der Begriffe in der Alltagssprache ersichtlich. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird Werbung definiert als: "Advertising is any impersonal form of communication about ideas, goods, or services that is paid for by an identified sponsor. It is usually transmitted by mass media - newspapers, magazines, television, radio, direct mail, outdoor billboards, and transit cards". (Hiam + Schewe 1992, 364). Promotion wird im Unterschied zu sales promotion als Oberbegriff im Sinne von Unternehmenskommunikation benutzt, dem advertising und public relations untergeordnet sind (ib., 359). Die American Marketing Association definiert sales promotion (dt.: Verkaufsförderung/Absatzförderung) als: "those marketing activities, other than personal selling, advertising, and publicity, that stimulate consumer purchasing and dealer effectiveness, such as displays, shows and expositions, demonstrations, and various nonrecurrent selling efforts not in the ordinary routine" (zit. n. Hiam + Schewe 1992, 377). In den USA läßt sich eine Tendenz zur Reduzierung der "klassischen" Medienwerbung zugunsten von verkaufsfördernden Maßnahmen (promotion), z. B. durch die Verwendung von Coupons, feststellen (Buzzell + Quelch + Salmon 1990; zit. n. Hiam + Schewe 1992, 377). So ist für den Durchschnitt der amerikanischen Unternehmen in den letzten zehn Jahren der Anteil der "klassischen" Mediawerbung am Werbeetat von 40% auf 30% zugunsten verkaufsfördernder Maßnahmen zurückgegangen. Publicity besteht aus der Gesamtheit aller Maßnahmen, die geeignet sind, den Ruf einer Firma zu fördern, bzw. das Interesse der Öffentlichkeit für ein Unternehmen, bestimmte Erzeugnisse, Ideen usw. zu wecken. "[...] publicity is not paid for at established rates, and the sponsor is not identified. Usually, publicity appears - unidentified as such - in the editorial or news columns of printed media or in the noncommercial portion of radio or television programs." (Dunn 1969, 9) Publicity kann daher auch das Ergebnis von Public Relations und Werbung sein. Es wird behauptet, dass public relations der übergeordnete Begriff von promotion sei, der auch advertising umfasse (ib., 10). Nach unseren Erfahrungen und Informationen dagegen befaßt sich in der Praxis die PR-Agentur oder PR-Abteilung eines größeren Betriebes nicht mit Medienwerbung. Schlechthin scheint man dennoch unter public relations Unternehmenskommunikation (von Hiam + Schewe 1992 als promotion bezeichnet) zu verstehen, obwohl in der Praxis Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zwei gesonderte Abteilungen darstellen. In der Werbung gebräuchlichen Begriffe Trotz der Nuancierungen der für Werbung gebräuchlichen Begriffe im Englischen und im Deutschen ist es bislang selbst in der Fachliteratur nicht gelungen, die Vielzahl von Formen der Werbung in ein erschöpfendes und gleichzeitig praxisgerechtes Klassifikationsschema einzuordenen. Das liegt daran, dass von den zahlreichen verwendeten Einteilungskriterien keines dominiert. Je nach Problemlage sind unterschiedliche Kriterien der Einteilung nötig (vgl. Kaiser 1980, 6). Hier seien nur einige der wichtigsten angeführt: Zweck, Zielgruppe, Art der Werbebotschaft, intendierte Reichweite der Botschaft, Werbemittel und Medien, auf deren Differenzierung wir hier nicht näher eingehen können. Zusammenfassend kann aber der hier behandelte Untersuchungsgegenstand, die Anzeigenwerbung für Microsoft WORD, als Wirtschaftswerbung charakterisiert werden, die sich aus Produkt- und Firmenwerbung zusammensetzt. Das angesprochene Publikum besteht sowohl aus Unternehmen wie aus Privatpersonen. Daher findet man eine Kombination aus Handels- und Endverbraucherwerbung vor. Geht man entsprechend dem Verständnis von Wirtschaftswerbung nach Hasseloff vor, wo sie "die geplante öffentliche Kommunikation zum Zwecke einer ökonomisch wirksamen Information, Persuasion und Entscheidungssteuerung" (Hantsch 1975, 138) darstellt, so muß jede Werbeanzeige als Einheit von sprachlichen und ikonischen (Bild-)Informationen angesehen werden. Ihre Gesamtwirkung entsteht durch das Bild, den begleitenden Text und die typographischen Gestaltungsmittel. Das verbale Register einer Werbeanzeige ergibt sich in der Regel aus der Headline, der sogenannten Body Copy als argumentierendem Textteil und dem Slogan als Zusammenfassung der Werbebotschaft in einem prägnanten Satz, der gleichzeitig auch die werbende Firma charakterisiert. Auf die Struktur der Werbeanzeigen und das Zusammenwirken von Wort und Bild wird später eingegangen. Die Bausteine einer Werbeanzeige (Bild, Headline, Body Copy und Slogan) haben internationale Geltung, d. h., dieselben Regeln für Anzeigen gelten sowohl in Deutschland als auch in den USA. Damit Werbung Erfolg haben kann, muß sich der Werbende bewußt sein, dass diese als komplexes kulturelles Phänomen in viele Gebiete anderer wissenschaftlichen Disziplinen hineinreicht. "So hat Werbung, auch als Wirtschaftswerbung betrieben, in starkem Maße einen psychologischen und soziologischen Aspekt. Das Erreichen und Beeinflussen von Menschen muß die Erkenntnisse psychologischer Abläufe und Mechanismen der Wahrnehmung, Verarbeitung und Speicherung sowie Rückkopplung ebenso berücksichtigen, wie Gruppenverhalten, Gruppennormen etc." (Huth + Pflaum 1980, 12) Darüber hinaus unterliegt Werbung bei der zentralen Aufgabe der Gestaltung von Werbemitteln einem gestalterischen, ja oft künstlerischen Einfluß. Die technische Komponente liegt in der Produktion von Werbemitteln (Druck, Filmproduktion etc.); und nicht zuletzt gilt es, juristische, insbesondere wettbewerbsrechtliche Aspekte bei den einzelnen Maßnahmen zu berücksichtigen. Der ökonomische Aspekt von Werbung ist sowohl von gesamt- wie auch betriebswirtschaftlicher Relevanz. Werbung als Pänomen ist demnach nicht nur auf das Wirtschaftsleben begrenzt, sondern erfaßt letztlich alle Bereiche des menschlichen Lebens. Ihre Allgegenwärtigkeit im täglichen Leben der Bürger kapitalistischer, auch der sich heute anpassenden sozialistischen Gesellschaftsordnungen hat oftmals zu kontroversen Auseinandersetzungen geführt. Dennoch wird Werbung allgemein als notwendiger Bestandteil marktwirtschaftlicher Ordnung akzeptiert. (Vgl. Jahrbuch der Werbung, Marketing-Kommunikation in Deutschland, Österreich und der Schweiz 1991; Januschek 1974). In ihrer "Sprachrohrfunktion" informiert sie den Verbraucher über das auf dem Markt bestehende Güter- und Dienstleistungsangebot und erleichtert so den Überblick über die jeweilige Marktlage. Gleichzeitig fördert sie auch das Streben der Menschen, ihre Lebensumstände zu verbessern: "Advertising nourishes the consuming power of men. It creates wants for a better standard of living. It sets up before a man the goal of a better home, better clothing, better food for himself and his family. It spurs individual exertion and greater production. It brings together in fertile union those things which otherwise would never have met." (Winston Churchill zit. n. Dunn 1969, 5) Dagegen mag argumentiert werden, dass Informationen in der Werbung nur darauf abzielen, "emotionale Kaufentscheidungen durch rechtfertigende Argumente so abzustützen, dass die Widerstände der eigenen Vernunft und die Kritik der Mitmenschen überwunden werden können" ("nikotinarm im Rauch") (Kaiser 1980, 65). Überdies erfährt der Konsument nur die "halbe Wahrheit", da die nicht werbewirksamen Eigenschaften in der Regel verschwiegen werden. Die Werbung "befindet sich [...] in der Rolle eines Anwalts, der all das vorträgt, was für seinen Mandanten spricht" (Nieschlag + Dichtl + Hörschgen; zit. n. Kaiser 1980, 65). Dies hat ihr den Vorwurf der (verdeckten) Unwahrhaftigkeit eingebracht. Der häufigste gegen die Werbung erhobene Vorwurf lautet, dass sie mit ihrer konzentrierten Kraft die hilflosen Konsumenten manipuliere, indem sie ihnen unterschwellig neue Bedürfnisse einrede. (Hauptvertreter dieses Standpunktes ist Vance Packard (1970)). "The men and women who hold up these glowing images, particularly the professional persuaders, typically do so with tongue in cheek. [...] Typically they see us as bundles of daydreams, misty hidden yearnings, guilt complexes, irrational emotional blockages. We are image lovers given to impulsive acts. We annoy them with our seemingly senseless quirks, but we please them with our growing docility in responding to their manipulation of symbols that stir us to action." (Packard 1970; zit. n. Dunn 1969, 5) Dem mag widersprechen, dass ein Großteil aller neuen Produkte - trotz intensiver Werbeunterstützung - am Markt nicht durchsetzbar ist. Zahlreiche Untersuchungen berichten von Versagerquoten um 90%. (Einige Beispiele für Fehlschläge bei renommierten Unternehmen: Ende der 70er Jahre sind "Bold" und "Cascade" (Proctor & Gamble), "Das geballte Bunt" und "All" (Lever Sunlicht), "Maxwell Exquisit" (General Foods) ohne Erfolg gelaufen; in der Zigarettenbranche sind Fehlschläge sogar die Regel: auf einen Erfolg kommen 30 Flops. (Kaiser 1980, 66)). Dafür könnte auch die Preispolitik oder Produktgestaltung verantwortlich sein, doch sie lässt erkennen, dass die Suggestivkraft der Werbung nicht unbegrenzt ist. Waren und Gegenstände des täglichen Gebrauchs werden semantisiert (vgl. Barthes 1969, 41). Dadurch egibt sich für die Werbetreibenden die Möglichkeit, sich das Bedürfnis nach Gruppen- und Klassenzugehörigkeit, nach Identifizierung usw. zunutze zu machen. Kleidung ist z. B. eine Ware, die gleichzeitig materielle und soziale Bedürfnisse befriedigt.2 Bei technischen Produkten kann dies kaum der Fall sein, da diese primär schon existierende materielle Bedürfnisse befriedigen. Eine Ausnahme davon bilden Autos, die in fast allen Kulturen ein Statussymbol darstellen. Die Tatsache, dass Werbung an Wertvorstellungen in der Gesellschaft appelliert, um Waren zu verkaufen, beweist, dass das Phänomen Werbung vor allem ein kulturelles Faktum ist, das ökonomische, juristische, soziologische, psychologische, technische und gestalterische Aspekte nicht außer acht lassen kann. "Werbung ist Bestandteil wie gleichzeitig Spiegelbild einer Kultur, einer Gesellschaft. Werbestile sind immer auch Gestaltungsstile eines bestimmten Stadiums kultureller, künstlerischer, gesellschaftlicher, politischer und auch technologischer Entwicklung. Werbung hat unter diesem Aspekt Symptomwert. [...] Werbung war und ist also immer auch Ausdruck eines Zeitgefühls, eines Standards gesellschaftlicher Wertvorstellungen und auch von Wunschvorstellungen des persönlichen Lebensstils: Produkte werden im Umfeld eines bestimmten Lebensgefühls, einer erstrebenswerten Lebenshaltung, eines Lebensstils angeboten." (Bergler 1982, 31) Werbung als "grande poésie populaire" (Gruning 1990; zit. n. Kuntz 1990), als "miroir culturel" (Cathelat 1887; zit. n. Kuntz 1990) - unter diesem Gesichtspunkt soll Werbung hier betrachtet werden und sollen kulturelle Unterschiede und Parallelen in beiden Kulturen - Deutschland und USA - aufgezeigt werden. Oftmals wird behauptet, dass multinationale Konzerne dazu neigen, ein und dieselbe Werbekampagen weltweit anzuwenden (vgl. Ogilvy 1983, 178). Dabei stoßen sie jedoch oft auf Widerstand bei der Leitung ihrer Tochtergesellschaften, die auf eigenen, auf das jeweilige Land zugeschnittenen Kampagnen bestehen. Die Filialen argumentieren, dass es sich um einen anderen Markt handle, und dass sie bei ihren Kunden nicht das Image eines Werkzeuges der Multis erwecken dürfen. Dies wird als NIH-Syndrom bezeichnet "Not Invented Here: "Any campaign not invented in your country is a threat to your self-respect". (Ogilvy 1983, 178) Aber die Erfahrung hat auch gelehrt, dass internationale Kampagnen Erfolg haben können: so z. B. die Esso-Kampagne mit der Headline "Put a Tiger in Your Tank", die in 34 Ländern erfolgreich war.3 Ob generell gesagt werden kann, dass in den USA erfolgreiche Kampagnen auch in anderen Ländern gut ankommen, wie Oglvy behauptet, soll dahingestellt bleiben. Die Microsoft Corporation ihrerseits hat der Notwendigkeit der Anpassung an den kulturellen Kontext Rechnung getragen. Ihre Tochtergesellschaften haben in den Ländern, wo sie vertreten sind, lokale Werbeagenturen mit den nationalen Werbekampagnen beauftragt. Ein multinationaler Konzern wie Microsoft4 muß bei seiner internationalen Marketing-Strategie unter anderem folgende Faktoren beachten: den ökonomischen und kulturellen Kontext (Sprache, Religion, Wertvorstellungen und Einstellungen, ethnische Gesichtspunkte, Bildungsgrad der Bevölkerung, Klassenstruktur der Gesellschaft), den Stand der Technik, geographische Faktoren sowie das politische und juristische Umfeld. Wirtschaftliche Entwicklung In bezug auf wirtschaftliche Entwicklung und Kaufkraft sind Deutschland und die USA als führende westliche Industrieländer vergleichbar. Eine wesentlich größere Konkurrenz der amerikanischen Softwarehersteller untereinander einerseits, die sich u. a. durch so genannte Kampfpreise äußert, und ein hohes Markenbewußtsein bzw. Markentreue in Deutschland andererseits, haben dazu geführt, dass Softwareprodukte auf dem deutschen Markt wesentlich teurer sind als in den USA. Auch im Vergleich zum europäischen Ausland vermag Microsoft in Deutschland die höchsten Preise zu erzielen; dafür ist Deutschland auch führend, was Raubkopien anbelangt. Das wichtigste Element eines Kulturkreises ist die Sprache: um von den Konsumenten des neuen Marktes verstanden zu werden, muss Werbung zumindest in die Landessprache übersetzt werden. Ungenügende Kenntnis der Zielsprache hat schon einige Produzenten beträchtliche Einbußen gekostet: Es wird der Fall eines deutschen Schokoladenexporteurs, der sein Produkt unter dem Namen "Zit" auf den amerikanischen Markt einführen wollte, zitiert5. Es erübrigt sich hier wohl anzumerken, dass diese Kampagne in Amerika nicht erfolgreich war (Hiam + Schewe 1992, 80). Auch spielen Religion und Ethik eine äußerst wichtige Rolle bei der Rezeption von Werbung in einer fremden Kultur: in einem islamischen Land kann z. B. eine Fluggesellschaft nicht mit einer Bildanzeige werben, auf der eine freundlich lächelnde Stewardess Geschäftsleuten Sekt anbietet. Diese Anzeige verstößt gegen mindestens zwei Normen des Islams: die Rolle der Frau in dieser Gesellschaft und das Alkoholverbot. Andererseits haben multinationale Konzerne schon oft versucht, jahrhundertealte Traditionen zu verändern, um neue Absatzmärkte zu schaffen: so zum Beispiel wurden in Ländern der Dritten Welt amerikanische Konsumgüter wie Deo-Sprays, Zahnpasta und Müsli aggressiv vermarktet, die bis dato dort nicht bekannt gewesen waren. Einerseits kann dies zu einer Verbesserung der allgemeinen Hygiene und der Gesundheit der Bevölkerung beitragen, andererseits besteht die Gefahr einer colonisation of the mind, die zur Ersetzung der eigenen kulturellen Werte durch solche der westlichen Welt führt.6 Auch hier stellt sich die Frage nach der Ethik solcher Geschäftspraktiken, die von Werbung massiv unterstützt werden. Kulturen unterscheiden sich voneinander aufgrund dominierender Wertvorstellungen sowie der Einstellung ihrer Vertreter zu Arbeit, Erfolg, Kleidung, Essen, Musik, Sexualverhalten und -ethik, sozialem Status, Ehrlichkeit, politischem Denken und Handeln und vielem mehr. All dies muß von der Werbung in Betracht gezogen werden, will sie effektiv sein. Auch spielt das allgemeine Bildungsniveau der Bevölkerung für Werbung insofern eine Rolle, dass es für die Zusammensetzung eines Marketing Mix ausschlaggebend ist. In Indien z. B., wo nur 33% der Bevölkerung lesen und schreiben können, wird im allgemeinen auf Wänden, Anschlagtafeln und im Kino geworben. In den USA dagegen ist die Zeitungswerbung die dominierende Form der Werbung. Zwischen den USA und Deutschland besteht hier kein wesentlicher Unterschied. In ihrer Appellfunktion muß Werbung im Ausland auch die Klassenstruktur der jeweiligen Gesellschaft in Betracht ziehen, da Konsumgüter oft zu Statussymbolen werden. Bei langlebigen technischen Produkten ist dies eher zweitrangig, hat aber immerhin eine gewisse Bedeutung. Auch haben Angehörige der upper class verschiedener Nationen mehr Gemeinsamkeiten miteinander als mit Angehörigen anderer Klassen im eigenen Land: "Interestingly, there may be a shift in this pattern with the emergence of a global generation of youth with shared values and tastes." (Hiam + Schewe, 82)7 In der Computerwerbung spielt der Stand der Technik im jeweiligen Land eine Rolle: vom Bekanntheitsgrad einer bestimmten Technologie hängt es ab, wie viel Aufklärungsarbeit in der Werbung geleistet werden muss. Auch die Geographie eines Landes spielt beim Produktmarketing eine Rolle: bei vielen Produkten muss die Verpackung auf das Klima des Landes zugeschnitten sein, um das Intaktbleiben der Ware zu sichern: für den Nahen Osten bestimmte PKW´s müssen wegen des Wüstenklimas mit zusätzlichen Luftfiltern und Spezialkupplungen ausgerüstet sein. Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen sind bestimmend für das Produktionspotential eines Landes: die USA können dank reicher Mineralvorkommen, zahlreicher schiffbarer Flüsse und klimatischer Vielfalt eine große Anzahl von Gütern produzieren und vertreiben. Dies hat zu einem hohen Lebensstandard bei relativer Unabhängigkeit von Import und Export geführt. Die Folge dieser Entwicklung ist ein weit verbreiteter Isolationismus in der amerikanischen Mentalität, der sich auf wirtschaftlicher Ebene z. B. darin bemerkbar macht, dass kaum ein kleiner oder mittlerer Unternehmer daran denkt, seine Produkte im Ausland zu verkaufen. Die meisten Unternehmen konzentrieren sich zuerst auf den Inlandsmarkt, der in der Tat riesig ist, und betrachten das Exportgeschäft eher als eine Art Abenteuer, bei dem bei sich verschlechternder Geschäftslage als erstes Kürzungen vorgenommen werden. In Deutschland hingegen zeigt man Weltoffenheit. Für das Auslandsmarketing einer Firma sind Politik und Gesetzgebung des Gastlandes von höchster Bedeutung. Investitionspolitik der Regierung, Rückführung der Gewinne ins Ausland, Nationalisierung und Enteignung werden von der Regierung des Gastlandes bestimmt. Für die Werbung ist vor allem das juristische Umfeld des Gastlandes ausschlaggebend. Das Verbot vergleichender Werbung in Deutschland ist wohl mit das wichtigste kulturspezifische Unterscheidungsmerkmal zur amerikanischen Werbung. Vergleichende Werbung wird in Deutschland vom Gesetzgeber als "gegen die guten Sitten verstoßend" empfunden und fällt deshalb unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dessen Ziel die Verhinderung unlauterer (leistungsfremder) Wettbewerbsvorteile ist (vgl. Kaiser 1980, 42). Auch in den USA galt vergleichende Werbung bis Mitte der 70er Jahre als riskant und geschmacklos. 1973 änderte die Federal Trade Commission (FTC) diesbezüglich ihre Haltung. Die Freigabe vergleichender Werbung wurde damit begründet, dass diese zu Verbesserung der Warenqualität, niedrigeren Preisen und einem Mehr an Verbraucherinformation führen würde. 1981 hob auch die National Association of Broadcasters die Beschränkung vergleichender Werbung in ihren Richtlinien auf, so dass heutzutage vergleichende Werbung in den USA sehr verbreitet ist (vgl. Hiam + Schewe 1992, 368). Trotz des gesetzlichen Verbots wird vergleichende Werbung auch in Deutschland kontrovers diskutiert. Während die Befürworter in vergleichenden Werbeaussagen eine Verbesserung der Markttransparenz für den Verbraucher sehen, wird von der Gegenseite mit der Gefahr einer "Überfütterung" der Verbraucher mit widersprüchlichen Informationen argumentiert, welche eher Verwirrung stifte (vgl. Kaiser 1980, 58ff). Die werbungtreibenden Unternehmen befürchten negative Auswirkungen auf das eigene Image durch die Herabwürdigung der Konkurrenz. Auch wird befürchtet, dass finanzstarke Unternehmen eher zu vergleichenden Werbeaussagen neigen könnten als kleinere und mittlere Konkurrenten. Hierin wird eine Kollision mit mittelstandspolitischen Zielvorstellungen gesehen.8 Andererseits zeigt die amerikanische Werbepraxis, dass oftmals gerade mittlere Unternehmen vergleichende Werbung praktizieren. Auch die Effizienz vergleichender Werbebotschaften ist noch umstritten, denn bisher vorliegende empirische Befunde sprechen gegen eine höhere Effizienz im Vergleich zu "normaler" Werbung. Im allgemeinen ist festzustellen, dass das deutsche Recht eine relativ große Zahl von Gesetzen und Verordnungen aufweist, die der Werbung Beschränkungen auferlegen, während in den USA Verstöße in der Werbung meist in gegenseitigem Einverständnis gelöst werden. Die Federal Trade Commission wird nur in letzter Instanz herangezogen (vgl. Kaiser 1980, 41). Der Vergleich des Phänomens Werbung in der deutschen und der amerikanischen Kultur führt schon sehr bald zu dem Schluss, dass Werbung in den beiden Kulturen einen sehr unterschiedlichen Stellenwert hat. Darauf deutet schon allein die Häufigkeit hin, mit der man Werbung im Alltag begegnet. In den USA, dem "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" und des laissez-faire-Kapitalismus, ist Werbung bedeutend häufiger und in aggressiverer Form als in Europa anzutreffen. Den New Yorker Broadway, Las Vegas, Reno, San Franciscos China Town könnte man sich nur schwer ohne Werbeplakate und Leuchtreklamen vorstellen. In der Auffassung vieler Europäer und auch Amerikaner gehört Werbung zum "American Way of Life". Fernsehsendungen, Spielfilme und sogar die Nachrichten werden alle 15 Minuten von Werbung unterbrochen, was für einen Europäer nur schwer zu akzeptieren ist. Manche Autoren behaupten sogar, dass die großen amerikanischen Fernsehsender das Programm ganz auf die Werbung zuschneiden, so dass heitere, leicht verdauliche Sendungen mit wenig Lehrcharakter überwiegen9, denn ernste, pessimistische Themen verderben die Lust am Konsum. Mutmaßungen über eine historische Erklärung des Phänomens Werbung bringen zum Ausdruck, dass auf irgendeine Art und Weise der amerikanische Nationalcharakter und seine ökonomische Kulturgeschichte zusammenhängen müssen. (Vgl. a. Spitzer 1975.) In der Tat sind in den USA der kommerzielle und der kulturelle Bereich sehr eng miteinander verknüpft: viele Universitätsprofessoren sind auch in der Wirtschaft aktiv, einer der ersten Werbetexter - Artemus Ward um 1900 - war gleichzeitig ein anerkannter Philosoph (vgl. Dunn 1969, 25). Der amerikanische Santa Claus im roten Anzug, Zipfelmütze, weißem Bart und roten Bäckchen entstammt der Coca-Cola-Werbung. In der Bundesrepublik, dem "Land der Dichter und Denker" dagegen sind Kultur und Kommerz kaum zu vereinbaren: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten haben eine kulturell-erzieherische Mission, Werbung wird zum Schutz der Konsumenten mit einem dichten Netz von Gesetzen in Grenzen gehalten, und viele empfinden Werbung als störend und gegen den guten Geschmack verstoßend. Man hat in Deutschland, wie wir meinen, ein eher gespaltenes Verhältnis zu Werbung: einerseits ist sie ökonomisch notwendig, andererseits wird sie als "unmoralisch" abgelehnt. Der Unterschied zwischen den USA und Deutschland, was Präsenz und Aufnahme der Werbung betrifft, ist sowohl durch wirtschaftliche als auch kulturelle Faktoren bedingt. Die konstituierenden Elemente einer Kultur sind Wissen, Stand der Technik, Überzeugungen, Wertvorstellungen, Normen und Sprache. (Williams 1966: 22).10 Im folgenden werden wir uns auf die Aufzählung einiger Werttendenzen eingehen, die in der Werbung angesprochen werden können, und den Stellenwert skizzieren, den jene Werte in der amerikanischen, b.z.w. bundesdeutschen Gesellschaft genießen. "First, American culture is marked by a central stress upon personal achievement, especially secular occupational achievement. The "success story" and the respect accorded to the self-made man are distinctly American, if anything is." (Williams 1966:417) Abraham Lincoln, der es vom einfachen Arbeiter zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gebracht hat, ist so eine "success story". Da Erfolg eng mit der Geschäftswelt verknüpft ist, ist der erfolgreiche Geschäftsmann jemand der hohes gesellschaftliches Ansehen genießt.11 Williams unterscheidet zwischen den Begriffen achievement und success: "Whereas achievement refers to valued accomplishments, success lays the emphasis upon rewards." (ibid:419) d.h. man ist eher geneigt den Erfolg, der sich bezahlt macht, zu honorieren, als eine "brotlose Kunst". Aus diesem Grund genießen z.B. Lehrer und Universitätsprofessoren ein geringeres Ansehen in der Gesellschaft als ihre deutschen Kollegen. In Deutschland dagegen steht der Lehrerberuf auf Rang drei der beruflichen Prestigeskala Wettbewerb ist die dritte Größe, die einen sehr hohen Rang auf der amerikanischen Werteskala einnimmt. "the American Way - separating winners from losers in head to head competition", wobei gilt: "the winner takes it all". Erster zu sein bedeutet alles, während der Zweite im Rennen kaum noch Beachtung findet. Allerdings kommt dem fair play im Wettbewerb eine wichtige Rolle zu, denn nur Erfolg in einem ethischen Rahmen zählt. Damit wird u.a. auch die große Beliebtheit des Sports in der Amerikanischen Gesellschaft begründet. Diesen 'Sportgeist' findet man auch in der amerikanischen Unternehmenskultur wieder: "Der Sportgeist kommt da viel deutlicher heraus, als bei uns. Konflikte werden wie ein Wettkampf ausgetragen, nach fairen Regeln. Das hat auch ein Stück weit den Charakter von Spiel. Während Deutsche eher verbissen sind, betreiben amerikanische Manager Konfliktmanagment als rhetorisches Ringen. Sie können über ihre Auseinandersetzungen lachen, sich davon distanzieren. Bei uns findet eher Anerkennung, wer sich enganiert und Engagement bedeutet Emotionalität. Einem Deutschen muß man am Gesicht ansehen, wie ernsthaft er ist." (Handelsblatt, Junge Karriere, SS 1992) Der Topos Wettbewerb/Sport kommt in der amerikanischen Microsoft-Werbung sehr klar zum Ausdruck.12 Ein weiterer Trend in der amerikanische Werteorientierung besteht, so Williams, in der positiven Bewertung des Großen, der Expansion. "The bigger, the better" bedeutet ein Mehr am Positivem. In der amerikanischen Geschichte haben Bevölkerungswachstum und territoriale Expansion schließlich den Allgemeinen Wohlstand vermehrt. Heutzutage befindet sich die "new frontier", die es zu erobern gilt, in der Welt der Technologie und des Weltraums. "Unquestionably, we are dealing here with a culture that values action and the mastery of the physical world." (Williams 1966:421) "In the United States is to be found what is almost the ideal type of a culture that stresses activity; it is no accident that the business so characteristic of the culture can also be spelled 'busyness' (...) America is the land of haste and bustle, of strenuous competition, of 'ceaseless activity and agitation'." (ibid: 422) Sowohl in der deutschen, als auch in der amerikanischen Kultur nimmt Arbeit einen hohen Stellenwert ein. Doch gibt es einige Unterschiede in der Betrachtung. Schon in der Pionierzeit galt in den U.S.A.das Prizip, "He who does not work, shall not eat.", weil das Überleben der Gruppe von der Arbeit des Einzelnen abhing. Hinzu kam noch die Aussicht der reichen Belohnung, die man sich im 'Land der unbegrenzten Möglichkeiten' erarbeiten konnte. Das Fehlen einer Aristokratie, deren Lebensstil den Genuß von Freizeit demonstrierte und physische Arbeit mit Geringschätzung bedachte, leistete ebenfalls seinen Beitrag zum hohen Ansehen der Arbeit in der amerikanischen Gesellschaft. Für analytisches Denken und philosophisches Betrachten der Welt blieb in den Anfängen amerikanischer Geschichte nur wenig Zeit. Dank puritanischer Arbeitsmoral wurde Arbeit zum Selbstzweck, bei dem 'teamwork' und die Rolle des Managers eine große Bedeutung hat. Diese Tendenz besteht auch heute noch in der amerikanischen Geschäftswelt,13 was in der Begegnung mit der deutschen oft kulturell bedingte Mißverständnisse zur Folge hat: "Das Volk der Dichter und Denker und das der unbegrenzten Möglichmacher haben es nicht leicht miteinander.(...) 'Wir Deutschen denken eher problemorientiert, in Abteilungen und Begründungen. Für Amerikaner ist das zu umständlich, zu grüblerisch, zu wenig pragmatisch. Wir liefern zum Teil die falschen Argumentation, die falsche Rhetorik. Umgekehrt empfindem wir die Amerikaner als oberflächlich'."14 In Deutschland wird Arbeit sehr ernst genommen, genauso wird aber auch auf dem Recht auf Freizeit bestanden, das dank der Aktivität der Gewerkschaften sehr effizient durchgesetzt wird. Von der Freizeit, die deutsche Arbeitnehmer genießen, könner ihre Kollegen in der ganzen Welt nur träumen.15 In Amerika muß nämlich, wer Erfolg haben will, im Durchschnitt 60 bis 80 Stunden pro Woche arbeiten.16 Dies ist auf mangelnde gewerkschaftliche Aktivität, praktisch nicht vorhandenem Kündigungsschutz, an den Arbeitgeber gebundene Krankenversicherung u.s.w. zurückzuführen. Viele Amerikaner blicken daher verständnislos und vieleicht nicht ohne Neid auf die Verhältnisse in Deutschland; bei einer Diskussion dieses Themas argumentieren jedoch die meisten aus der Sicht des Arbeitgebers - dass das Unternehmen sonst nicht existieren könnte. Williams führt Effizienz (efficiency) und Praktisches Denken (practicality) als eine weitere dominierende Wertvorstellung in dere amerikanischen Kultur an. "Efficient is a word of high praise in a society that has long emphasized adaptability, technological innovation, economic expansion, up-to-dateness, practicality, expediency, 'getting things done'" (Williams 1966:428). Diese Wertorientierung steht im Gegensatz zu einer vorwiegenden Beschäftigung mit ästhetischen und intellektuellen Belangen, Glorifizierung der Vergangenheit, Askese, Philosophie und Pessimismus. Der geringe Stellenwert von Geschichte und Tradition in der amerikanischen Kultur wird auch durch Henry Fords Auspruch deutlich: "History is bunk." (Williams 1966:430) Auch David Ogilvy schreibt, dass das Ansprechen geschichtlicher Themen in der Werbung die meisten Amerikaner langweile. (Ogilvy, 1983:78) In Europa legt man dagegen sehr viel Wert auf Tradition und Geschichte - man vertritt die Auffassung "Was alt ist, ist auch gut" - dass von den Werbenden oft versucht, wird, ihr Produkt als Fortsetzung einer Tradition vorzustellen. Dies ist unserer Meinung nach auf den Gegensatz "alte" und "junge" Kultur zurückzuführen: in Europa und in allen anderen "alten" Kulturen wächst das Individuum in der Geschichte und Tradition seines Volkes verwurzelt auf und sieht sich gewissermaßen als dessen Kontinuität. In Amerika ist dagegen eine gewisse Entwurzelung, 'a lack of groundedness' feststellbar, die sich oft darin äußert, dass das Individuum versucht, "künstliche Wurzeln" zu schaffen indem es z.B. einer Kirche beitritt. Darauf ist, wie wir meinen, auch der große Einfluß der verschiedenen Kirchen in den USA zurückzuführen. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal der Amerikanischen Kultur zur 'Alten Welt' besteht in einem ungegrochenen Fortschrittsglauben und Optimismus der Amerikaner. "Americans have felt their present to be better than their past and have felt adequate to deal with a future that will be still better." (ibid.:432) Dagegen dominiert in der deutschen Kultur oft ein Pessimismus, der sich auf einen ebenfalls teutonischen Perfektionismus gründet. "The Germans are aware of the world - and frustrated about its defects. Seeking high standards, they are impatient, if these are not met. In today's Germany, material needs are sated; wealth and leisure proviode time and opportunity to dwell on life's imperfections." (Marsh 1990: 148) Typisch für die deutsche Mentalität scheint ein bestimmtes Maß an Skepsis und Unzufriedenheit mit der Realität zu sein,17 das mit einer Idealvorstellung von Glück koexistiert, ein Zustand den man durch ehrgeiziges Streben zu erreichen versucht. Goethe hat dieses Streben des germanischen Menschen in seinem Faust personifiziert und verewigt. Diese Problemorientiertheit in der deutschen Mentalität wird, wie wir weiter ausführen werden, in der Werbung ebenfalls angesprochen. Nationalismus und Patriotismus sind zwei weitere Wertkathegorien, durch die sich die beiden Kulturen Deutschland und Amerika wesentlich voneinander unterscheiden. In Deutschland sind diese Themenbereiche aufgrund geschichtlicher Erfahrungen in der Werbung nicht ansprechbar, weil der Konsument keine angenehmen Dinge damit konnotieren würde; man würde wahrscheinlich auf Apelle an Partiotismus und nationale Gefühle nur mit Skepsis oder negativ reagieren. Ein anderer damit verbundener Bedeutungsbereich ist das Militär. Vielmehr wendet man sich Internationalem zu, wie z.B. der Schaffung eines vereinten Europas. "But American nationalism, like the religions that have contributed so heavily to the culture, involves the idea, that the American way of life is so morally superior, that it should be widely adopted elsewhere." (Williams 1966: 459) Deshalb wird an diese Gefühle auch in der Werbung appelliert. Amerikanischer Nationalismus bedeutet auch eine Abwendung von der Alten Welt, mit der viele Amerikaner bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts Krieg, Verfolgung und Rassenhaß nicht zu Unrecht verbinden. Diese Abwendung von Europa hat auch die in Amerika seit Anfang des 19. Jahrhunderts existierenden isolationistischen Tendenzen bestärkt. Isolationismus ist für Amerika seit dem 2. Weltkrieg faktisch nicht mehr möglich, aber diese Tendenzen bestehen in der Mentalität weiter. Internationalismus ist daher ein Thema, das wenig Resonanz in der amerikanischen Öffentlichkeit findet.18 Dazu tragen auch die Medien bei, die nur sehr spärlich über das Weltgeschehen berichten. So ist auch in sämtlichen von uns untersuchten Werbeanzeigen (1983-1992) kein einziger Hinweis auf die internationale Verwendung von Word zu finden. Dagegen prägte schon Goethe den Begriff Weltbürger als klassisches Humanitätsideal. Marsh sieht ein anderes Merkmal des deutschen Charakters in der "Wanderlust"19 begründet: "The Germans' travel enthusiasm is an expression of national character, befitting a people whose borders have never been fixed. The English have always been shopkeepers; the Germans are given to roaming. Goethe believed that, 'Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.' According to the 19th-century poet Gustav Freytag, 'The German love for wandering ultimately expresses the search for an ideal country'." (Marsh 1990:152) Marsh beobachtet eine sehr tiefliegende Auffassung bei den Deutschen, ihr Glück in der Ferne zu suchen. Er bemerkt auch, dass der Begriff 'Fernweh' als Antonym zu 'Heimweh' nur im Deutschen gefunden werden kann. Im Gegensatz dazu steht das deutsche Sicherheitsbedürfnis, das, wie Marsh mutmaßt, wohl mit dem Bedürfnis zusammenhängt, ihren Alltag unter Kontrolle zu haben und ihr Leben vorausplanen zu können. So sind Organisation, Ordnung und Regeln ein bedeutsamer Bestandteil der deutschen Kultur. Mit dem Sicherheitsbedürfnis gekoppelt ist auch die Angst vor Katastrophen, die von deutschen Publikumszeitschriften wie z.B. dem Stern und dem Spiegel geschürt wird, die oft ein düsteres Bild von der Zukunft zeichnen. Bildung, Wissen und Kompetenz haben in der deutschen Kultur einen hohen Stellenwert, was besonders für Allgemeinbildung gilt. Hier setzt sich die Tradition des Bildungsbürgertums des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum bis zum heutigen Tage fort. Desgleichen wird auch der Lehrer als Autoritätsperson respektiert, denn Respekt vor Autoritäten und Titeln ist in der deutschen Kultur weit verbreitet. So erscheint die Figur des Lehrers auch in der deutschen Microsoft Werbung (Manager Magazin, 12. 1986:58/59)Nach dem 2. Weltkrieg hat sich jedoch auch eine gewisse Skepsis Autoritäten gegenüber breitgemacht. Deutscher Humor ist international sehr umstritten - viele behaupten, er existiere gar nicht. David Marsh bemerkt dazu: "The Germans have plenty of humour, but go in for organized burlesque, rather than spontaneous levity. Leaning to Schadenfreude, the Germans like to home in on a target; they seldom have enough self-confidence to laugh at themselves, something which comes naturally - perhaps, too naturally - to the English." (Marsh 1990:164) Im Gegensatz zu den Engländern und den Amerikanern ist Humor, so Marsh, nicht ein Teil des Alltags, sondern bleibt auf bestimmte Gelegenheiten beschränkt. So hat Humor generell nichts in wissenschaftlichen Arbeiten und Reden zu suchen, da der Autor sonst Gefahr liefe, als unseriös zu gelten. Die Firma Microsoft wurde 1975 von Bill Gates, dem jetzigen Inhaber, gegründet. In den 17 Jahren ihres Bestehens hat sich das Unternehmen zu einem der bedeutendsten und einflußreichsten in der Computerbranche entwickelt. Gates ist heute mit rund 7 Mrd. US-Dollar Privatvermögen der reichste Mann Amerikas. Der erste Erfolg der Firma war MS DOS, das Betriebssystem, das von IBM für seine ersten Personal Computer ausgewählt wurde und zum Standard der Industrie wurde. Microsoft produzierte zuerst Software (z. B. WORD und EXCELL) für den Apple Macintosh Computer, der durch seine graphische Schnittstelle bedeutend einfacher zu bedienen war als der IBM PC, für dessen Bedienung man unzählige abstrakte Befehle lernen mußte. Der IBM PC war jedoch in Amerika viel weitläufiger benutzt worden als der Apple Macintosh und hatte sich gewissermaßen zum Standard der Industrie entwickelt. Durch die Einführung von Windows 1985 verlieh Microsoft auch dem PC die bedienungsfreundliche graphische Benutzeroberfläche. Dies kostete Apple erhebliche Marktanteile, und so zog Apple 1988 gegen Microsoft wegen Patentverletzung vor Gericht.20 Auch während des Verfahrens wurde Windows verbessert und weiterentwickelt, so dass die Version 3.0 im Jahr 1990 einen durchschlagenden Erfolg verzeichnen konnte - von Business Week zum besten Produkt des Jahres gekürt. Bis 1991 hatte Microsoft zusammen mit IBM eine neues Betriebssystem OS/2 entwickelt, das leistungsfähiger als DOS ist. Im Januar 1991 zog sich Microsoft von dem Projekt zurück, d. h. es wurde keine Applikationssoftware für diese Plattform geschrieben, und setzte stattdessen auf das hauseigene Betriebssystem Windows. Damit hatte Microsoft sich einen Riesenvorsprung für das Schreiben von Windows-Software gesichert und erzielte einen Rekordabsatz. Das EDV-Programm MS-WORD gibt es also für die Benutzeroberflächen Macintosh, DOS und Windows. Für den Vertrieb im Ausland wird WORD an die entsprechenden Landessprachen angepaßt, d.h. es wird lokalisiert, aber der Markenname wird weltweit beibehalten. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei WORD um ein technisches Produkt, für dessen Erwerb sowohl Firmen als auch Privatpersonen interessiert werden sollen. Aus diesem Grund ist die Werbung eine Mischung aus Konsumwerbung und Werbung für technische Produkte. Die angesprochene Zielgruppe sind Büroleiter, Manager und Privatpersonen, die zu Hause oder beruflich schreiben. Microsoft macht erst im Dezember 1983 nach der ersten Lieferung von WORD für DOS selbständig Werbung. Für WORD für den Macintosh wird kaum geworben. So bezieht sich fast die gesamte WORD-Werbung auf WORD für DOS oder auf WORD für Windows. Bei den amerikanischen Kampagnen steht das Produkt, oder besser gesagt das, was WORD produziert, im Vordergrund. Zu sehen sind hauptsächlich mittels WORD erstellte Geschäftsbriefe, Broschüren und Bildschirme. Die einzelnen Kampagnen sind nur schwer voneinander zu unterscheiden, da es kein durchgehendes Thema gibt. Von 1983 bis 1985 wird mit frechen, aggressiven Sprüchen in der headline geworben, wie z. B. "Stop feeding your computer junk food" oder "Quick doesn't have to be dirty", die ein junges und dynamisches Image verkörpern sollen. Der Spruch in der headline wird von der body copy und dem visuellen Code unterstützt. 1986 wird mit der headline "We're the people who tell the PC how to think" für die gesamte Produktpalette geworben. 1987 geht man zu sogenannten "user testimonials" über, d. h. zu positiven Aussagen über WORD von Managern namhafter Firmen wie GTE Corporation, Arthur Young und Quaker Oats Company: "Part of my job is to put word processing in the hands of very bright, very busy people. The idea is to give them a versatile tool, not a science project." (Business Week, 30. März 1987, 101/102) Literatur (Quelle: Business Week, 6. Juni 1991, S.35) 1991 werden Kommentare über WORD von namhaften Redakteuren der Tages- und Fachpresse zitiert: "A session with Microsoft Word for Windows can make you rethink the whole category of word processing software." (Edward Mendelson, PC Magazine, December 11,1990). "Simply put, Word for Windows is a model for the next generation of word processing programs" (Peter Lewis, New York Times 1991). "Word for Windows is the leader of the pack" (Infoworld, February 4, 1991).21 (Quelle: Business Week, 6. Juni 1991, S.31, 33, 35) Die Darstellung mittels WORD erstellter Geschäftsbriefe und Broschüren, von Bildschirmen auf denen das Menü zu sehen ist, sowie von Benutzer- und Expertenkommentaren als Mittelpunkt der Werbeanzeige deutet auf ein kritisches, faktenorientiertes Publikum hin, dem man Wettbewerbs- und Sportgeist demonstrieren will ("leader of the pack"). 1992 setzt Microsoft zum Angriff auf den Konkurrenten WORD PERFECT CORPORATION an; die headlines der Anzeigen von März, April, Mai und August in der Business Week ergeben eine persuasive Folge:22 "If you want better word processing, don't settle for Perfect", "Word Perfect users prefer Microsoft Word for Windows"; "No wonder Word Perfect users prefer Word for Window. It has easy written all over it"; "Now that Word Perfect users prefer Word for Windows, we're spreading the Word"; "Word Perfect users prefer Word for Windows no matter what state they're in". In der letzten Kampagne wird der Konkurrent Word Perfect angegriffen: Ohne dass gesagt wird, ob einer, zwei oder die meisten Word Perfect-Benutzer zu MS WORD überwechseln, wird dem Leser suggeriert, dass es die Mehrheit sei - und dies wird als abgeschlossener Tatbestand dargestellt. Bei Werbekampagnen ändert sich auch der Slogan alle ein bis zwei Jahre. In der amerikanischen Microsoft-Kampagne findet man folgende Slogans: "The High Performance Software", "Making it all makes sense", "Making it easier". Seit 1984, als WORD auf dem deutschen Markt erschien, haben fünf deutsche Werbekampagnen für Word stattgefunden. Die erste Kampagne (1984-1987) informiert den potentiellen Benutzer über Computer und Software. Dabei wird in anfangs noch sehr trockenen, sechsspaltigen Anzeigen das Bemühen erkennbar, Firmentradition und Seriosität zu vermitteln ("Software ab der PC-Stunde null" Manager Magazin ) sowie MS WORD in die Reihe bahnbrechender technischer Erfindungen einzugliedern ("Vom Leierkasten zu Microsoft WORD", ibid). In den folgenden, immer noch sehr textreichen Anzeigen wird durch Witz, Wortspiele, Wilhelm Busch-Zeichnungen und Anspielungen auf die Märchen- und Fabelwelt eine Freude am Wiedererkennen von Bekanntem und ästhetischer Genuß beim Leser erzielt. Die zweite Kampagne (1987-1989) wirbt u. a. mit Goethe, dem deutschen Dichterfürsten, für WORD. Die Kampagne 1989-1990 läßt den Betrachter in eine futuristische High-Tech-Welt versinken. 1991 wirbt man für Microsoft Produkte mit der Headline "Mit Microsoft können Sie spielend arbeiten" und einer visuellen, in Cartoontechnik erstellten Scheinwelt, die den Leser in die Welt des kindlichen Spiels versetzen soll. Die neueste Kampagne 1992 schließlich wirbt mit einer Headline in Spruchform und Text in der Fachzeitschrift CHIP, während die vorhergehende Kampagne weiterläuft. Bei den deutschen Kampagen fällt auf, dass sich das Verhältnis zwischen verbalem und visuellem Code von 1984 bis 1992 graduell verändert: dominiert am Anfang der Text, so wird schließlich das Bild zur vorherrschenden Komponente der Anzeige. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass am Anfang noch sehr viel Aufklärungsarbeit über die Computerbranche geleistet werden muß und es galt, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. 1991 z. B. beschränkt man sich in der Wirtschaftspresse schließlich nur noch auf Erinnerungs- und Imagewerbung. In den deutschen Kampagnen sind die Formen Einführungswerbung, Erhaltungswerbung, Expansionswerbung und Erinnerungswerbung klar erkennbar. In den deutschen Anzeigen sind folgende Slogans vorzufinden: "Software mit Zukunft" (1986), "Zukunft der Software" (1987-1989), "Software für ihre Zukunft" (1990-1992).23 Die Slogans spiegeln hier die Eroberung des deutschen Marktes wider: Während der erste noch etwas über die Aussichten des Produktes sagt, sieht der zweite Slogan Microsoft als richtungweisend für die Softwarebranche an; der dritte Slogan bietet in fast gönnerischem Ton etwas für die Verbesserung der Zukunft des Kunden an. In der gesamten High-Tech-Branche sind Produkte amerikanischer Firmen normalerweise zuerst auf dem amerikanischen Markt vorhanden und erst nach einer gewissen Zeitverzögerung in Europa. Dies ist auf die zur Lokalisierung benötigte Zeit zurückzuführen. Lokalisieren bedeutet die Übersetzung des Programms in die Landessprache und seine Abstimmung auf andere lokale Charakteristika wie z. B. Schriftzeichen, Grammatik (Trennregeln im Deutschen), die im Benutzerhandbuch verwendeten Beispiele. (Quelle: Manager Magazin, September 1986, S.58/59) So ist es oft der Fall, dass z. B. in Deutschland noch die Version 5.0. von WORD angeboten wird, während in den USA schon die nächste Version (5.5) geliefert wurde. Aus diesem Grund stellen sich Softwarehersteller nur ungern den Fragen ausländischer Journalisten. Ein anderes Problem, über das die Firma nur ungern spricht, ist die Preispolitik in den einzelnen Ländern. Diese wird oft je nach Marktstruktur und Mentalität des einzelnen Landes gestaltet. Im November 1983 wird WORD für DOS zum erstenmal ausgeliefert. Zehn Monate später, im September 1984, gibt es die erste Version von WORD auch in Deutschland, und im Mai 1985 erscheint schon die zweite Version (WORD 2.0.). Im Juni 1986 kommt WORD 3.0. auf den amerikanischen Markt, und im Oktober desselben Jahres gibt es schon die deutsche Version. 1987 erscheint in Deutschland die Version 4.0. und 1989 WORD 5.0. Im Mai 1990 wird gleichzeitig mit dem Erscheinen von Windows 3.0. auch WORD für Windows angeboten, und zwar simultan in den USA und in Deutschland. 1991 gibt es in Deutschland die Version 1.1. von WORD for Windows, während im Sommer desselben Jahres WORD for Windows 2.0. in Amerika erscheint. Diese Version (WORD für Windows 2.0.) wird in Deutschland erst im März 1992 vor der CeBIT eingeführt. Aus diesen Daten ist zu folgern, dass WORD in Deutschland einen ziemlich aktuellen Stand hat. Die Zeitverschiebung im Produktangebot beträgt im Schnitt lediglich sechs Monate. Da es sich bei WORD um ein low-end Produkt24 handelt, das dem allgemeinen Schreibgebrauch und besonders der Bürokommunikation dient, wurde der Werbung in der Wirtschaftspresse zumindest in Deutschland Priorität eingeräumt, weil Microsoft hier von Anfang an inseriert. So bleibt die Wilhelm-Busch-Kampagne auf die Wirtschaftspresse beschränkt, denn sie betreibt viel Publikumsaufklärung und wendet sich an den Büroleiter, z. B. "Ein Wort unter Chefs. Textverarbeitung top gemanagt" (Manager Magazin, September 1985, S.46/47). Die nächsten drei Kampagnen sind auch in CHIP zu finden. Bei der "High Text" Anzeige wird sowohl im Manager Magazin als auch in CHIP mit demselben Bild geworben, der Text ist aber verschieden: in der Wirtschaftspresse wird mit "höchstem Bedienungskomfort" geworben, während in der Fachpresse viele Extras des Programms aufgelistet werden. 1991 sind die letzten beiden Anzeigen als eine Art Erinnerungswerbung im Manager Magazin zu finden. Im Jahr 1992 fanden wir keinerlei Werbung für WORD in dieser Zeitschrift, wohl aber waren andere Produkte vertreten. In den USA werden unserer Untersuchung zufolge dieselben Kampagnen sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Fachpresse geschaltet. Literatur Ackermann, Antje: Metaphern in der russischen Fachsprache der elektronischen Datenverarbeitung; Dipl.-Arb. Heidelberg 1991. 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